Emotionen sind keine launische Nebenwirkungen des Denkens, sondern unerlässlich für unser Überleben. Sie gewichten die Relevanz von allem, was wir sehen, hören, anfassen, riechen oder schmecken. Dies war eine der vorherrschenden Meinungen des jetzt zu Ende gegangenen Symposiums amerikanischer Emotionsforscher, zu dem das National Institute for Mental Health (NIMH) zusammen mit der Bibliothek des amerikanischen Kongresses eingeladen hatte. "Ohne einen Blick für Emotionen bleiben uns nicht nur eine ganze Reihe von Krankheiten unverständlich, sondern wir können auch unser eigenes Menschsein nicht verstehen", betonte Steven Hyman, Direktor von NIMH. Vor allem bildgebende Verfahren, mit denen Wissenschaftler das Gehirn bei seiner Arbeit beobachten können, ermöglichten im letzten Jahrzehnt Fortschritte in der Emotionsforschung.

James McGaugh von der Universität Kalifornien in Irvine betonte, daß Emotionen mit molekularen und genetischen Vorgängen in der Nervenzelle einhergehen. So scheint jeder Mensch mit einer gewissen Anzahl chemischer Mechanismen ausgestattet zu sein, die Gefühle entweder verstärken oder unterdrücken. Wer lange Angst oder Schmerzen ausgesetzt wird, dessen Hirnzellen produzieren offenbar Proteine, die die Empfindsamkeit des Gehirns gegenüber Angst noch steigern. Dies wird durch die Beobachtung bestätigt, dass Menschen nach einem Trauma bisweilen auch auf harmlose Reize - etwa das Läuten einer Glocke - mit Panik reagieren. Eine Psychotherapie oder Arzneien können bei vielen Menschen diese Fixierung jedoch wieder lösen.

Andere Studien belegen die Wichtigkeit emotionaler Zuwendung für die Entwicklung des Gehirns. So fand man etwa in einer Untersuchung, daß der Hormonhaushalt vernachlässigter und emotional misshandelter Waisenkinder signifikante Veränderungen aufweist.

Quelle: Andreas Wawrzinek, Scripps Howard News Service, 7.5.1998