Menschliche Zellen, denen man in einer Kultur das Enzym Telomerase beimengt, werden unsterblich.

Bisher wußte man lediglich von Krebszellen, daß sie sich unendlich oft teilen können. Krebszellen haben sich jedoch in verschiedener Hinsicht verändert, so daß sie für den menschlichen Körper gefährlich werden. Die Zellen in der Telomerase-Kultur machen jedoch selbst nach 300 Teilungen noch einen gesunden Eindruck - dies behauptet zumindest Carmel P. Morales vom University of Texas Southwestern Medical Center. Sie berichtet zusammen mit Kollegen von dem Methusalem-Effekt der Telomerase in der aktuellen Ausgabe des Fachblattes Nature Medicine. Normalerweise sterben menschliche Zellen nach 70 bis 80 Teilungen ab.

Telomerase sorgt für den beständigen Aufbau von sogenannten Telomeren an den Enden der Chromosomen. Die Chromosomen bestehen jeweils aus einem einzigen Molekül, der DNA, das sich bei jeder Zellteilung verdoppeln muß. Telomere sorgen dafür, daß die Struktur der Chromosomen stabil bleibt und sie nicht aneinander ankoppeln. Allerdings geht bei jeder Zellteilung etwas von den Telomeren verloren. Die Telomerase hat die Aufgabe, diese verlorengegangenen DNA-Enden wieder aufzubauen. Telomerase wird jedoch nur in jungen Zellen produziert, weshalb DNA in älteren Zellen nach einer gewissen Anzahl von Zellteilungen unweigerlich ihre schützenden Enden verliert. In der Folge muß die Zelle sterben. Viele Forscher halten den schleichenden Verlust an Telomeren für den zentralen Alterungsprozeß im menschlichen Körper. Daher ist der Gedanke verführerisch, dem Körper von außen Telomerase zuzuführen, um das Altern zu verlangsamen oder gar zu stoppen. Zumindest im Reagenzglas ist dies dem Team um Morales nun offenbar gelungen. Allerdings geben die Forscher als Ziel ihrer Experimente nicht die Verlängerung des menschlichen Lebens an; sie denken vielmehr an besonders widerstandsfähige und langlebige Zellkulturen, mit denen man eines Tages vielleicht Krankheiten kurieren kann, deren Ursache die Degeneration bestimmter Körperzellen ist.

Quelle: Andreas Wawrzinek, Nature News Service, 20.1.1999